Die Unternehmensübergabe – vor allem eine Frage des Dialogs

«Gedanken, die nicht ausgesprochen werden, sind Zeitbomben.» Für Til Zollinger, CEO von Zollinger Bio, einem Familienunternehmen mit Sitz in Les Evouettes, ist der Dialog der Schlüssel zu einer erfolgreichen Nachfolge. Weit mehr als finanzielle oder strategische Aspekte ist es die Kommunikation im weitesten Sinne, die alle Ebenen des Unternehmens miteinander verbindet und Frustrationen vermeidet. Diese Überzeugung basiert auf den persönlichen Erfahrungen des jungen Geschäftsführers, der zusammen mit seinen drei Brüdern das von ihren Eltern in den 80er-Jahren aufgebaute Unternehmen übernommen hat.

«Bei der Nachfolge ist es wie beim Saatgut: Man muss darauf vertrauen, was man sät, und guten Boden haben», erklärt Til Zollinger einleitend. Die Analogie zum Saatgutgeschäft ist nicht zufällig. Das Unternehmen Zollinger Bio entstand aus der Vision heraus, die Abhängigkeit von grossen internationalen Konzernen im Saatgutbereich zu verhindern. «Meine Eltern haben sich Anfang der 80er-Jahre mit Überzeugung und Neugierde auf Bio-Saatgut eingelassen», erzählt er.

1987 wurde der erste Katalog veröffentlicht und 500 Personen gaben Bestellungen auf. «Der Grundstein für ein jahrzehntelanges Abenteuer war gelegt. Meine Eltern wollten im Grunde genommen nur eine Idee verteidigen. Und diese Idee war die Grundlage für das Unternehmen», erklärt der CEO. Für die Familie Zollinger war das Unternehmen viel mehr als nur Arbeit: Es war eine Lebenseinstellung. «Die Familienessen waren oft agronomische Tests. Zollinger Bio war eine Mischung aus Leidenschaft und Engagement. Das hat unseren Geist geprägt.»

Nie Druck, das Unternehmen zu übernehmen

Trotz dieser starken familiären Verankerung hatte zunächst keiner der vier Brüder vor, das Unternehmen zu übernehmen. «Während unseres Studiums haben wir ein anderes, einfacheres Leben entdeckt. Ich konnte mir nicht vorstellen, in das Familienunternehmen zurückzukehren, bis die Diskussionen über die Nachfolge begannen», gesteht Til Zollinger. Alle hatten interessante Stellen in der Schweiz gefunden. «Unsere Eltern haben uns nie unter Druck gesetzt, das Unternehmen zu übernehmen», betont er.

Schliesslich entwickelte Til Zollinger in St. Gallen im Rahmen seiner Masterarbeit über Familiennachfolge ein strukturierendes Modell für die Nachfolgeplanung. Dieses Modell basiert auf drei Ebenen: normativ (Werte, Aufgaben, Kultur, Identität), strategisch (Marschrichtung, Unternehmensstruktur) und operativ (Prozesse, Rollen, Gehälter, Logistik). «Aber diese drei Ebenen reichen in der Praxis nicht aus. Oft fehlt es an Kommunikation», beobachtet er.

Zollinger Bio - Til Zollinger

Kommunikation, das verbindende Element

Für Til Zollinger geht diese Kommunikation weit über das einfache Gespräch hinaus. «Es geht darum, Dinge anzusprechen und anderen zuzuhören, über Geld und die notwendige Anerkennung zu sprechen. Diese Kommunikation verbindet die drei Ebenen.» Das entwickelte Modell ermöglichte es der Familie Zollinger, alle Themen anzusprechen, ohne dass es persönlich wurde. «Es gab auch die Gelegenheit, über Governance zu sprechen: Wer ist Eigentümer, wer ist beispielsweise Angestellter? Durch die Festlegung dieses Rahmens werden viele Probleme gelöst und Frustrationen vermieden.»

Am 1. Januar 2016 wurde die Übernahme wirksam. «Es geschah von einem Tag auf den anderen zwischen Eltern und Kindern. Aber waren wir in der Lage, das Unternehmen zu führen? Es gab zwar Überraschungen, aber keine grossen», erinnert sich Til Zollinger. Die vier Brüder mit unterschiedlichen Kompetenzen haben schnell ihre Spuren hinterlassen: Anpassung des Organigramms, Einführung des E-Commerce, Digitalisierung der Prozesse und Einführung des Lean Managements. «Wir haben alte Gewohnheiten über Bord geworfen, um Platz für neue Ideen zu schaffen. Mit dem klaren normativen Rahmen waren wir zuversichtlich, dass die Modernisierung gelingen kann.»

Die Covid-Krise als Gradmesser

Im Jahr 2020 erlebte das Unternehmen mit der Covid-Pandemie einen wichtigen Wendepunkt. «Die ganze Schweiz begann zu gärtnern. Der Umsatz explodierte, Tausende von Bestellungen mussten verpackt werden. Wir hatten das Gefühl, dass wir etwas bewirken», erzählt der CEO. Dieser explosionsartige Anstieg der Nachfrage erforderte eine komplette Umstrukturierung: neue Logistik, neue Mitarbeitende, neue Räumlichkeiten. «Trotz all der Veränderungen haben wir durchgehalten. Gerade in Zeiten des Wandels zeigt sich, wie solide das Unternehmen ist», analysiert er.

Für Til Zollinger bestätigt diese Herausforderung, dass die Nachfolge nur eine Etappe unter vielen war. «Es werden weitere Herausforderungen kommen. Die Nachfolge ist eine Etappe, über die man sich freuen sollte.»

Zollinger Bio - Til Zollinger

Fünf Lektionen für eine erfolgreiche Übergabe

Aus seiner Erfahrung zieht der CEO von Zollinger Bio fünf wichtige Lektionen. «Erstens: Der Mensch kommt vor der Technik. Zweitens: Der Dialog steht an erster Stelle. Das ist das Wichtigste», betont er. Dritte Lektion: «Gute Ratschläge kommen oft von unerwarteter Seite. Das Thema Unternehmensübergabe ist für viele Menschen von grossem Interesse.» Viertens: «Es ist besser, sich vorab Gedanken darüber zu machen, wie man das Unternehmen weiterführen möchte, bevor man sich an Finanzexperten wendet.» Und schliesslich: «Es gibt nie den perfekten Zeitpunkt. Es gibt nur ausreichend gute Zeitpunkte.»

Der junge Geschäftsführer richtet auch eine Botschaft an die neue Generation von Gründerinnen und Gründer. «Man sollte der neuen Generation vertrauen. Zum richtigen Zeitpunkt muss die alte Generation den Platz für andere frei machen.»

Weitere Informationen: Zollinger Bio

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