Neeschi rollt Walliser Schafwolle den Teppich aus

Weil sie kratzt, eignet sich die heimische Wolle von Schwarznasenschafen heutzutage kaum noch für die Kleiderproduktion. Ein Grossteil der Wolle wird kurzerhand entsorgt. Nicht so beim Unternehmen Neeschi, das die Wolle für die Produktion von hochwertigen Teppichen nutzt. Wie das funktioniert und wo die Hürden liegen, berichtet Geschäftsinhaberin Caroline Weder Carrarini beim Gespräch in ihrem Showroom in Naters.

Eigentlich ist «Neeschi» ein altes Walliser Wort für Ziege. Wie kommt es, dass sich ein Unternehmen, das auf Teppiche und Co. aus Wolle von Schwarznasenschafen anbietet, im Firmennamen auf die Geiss setzt? Geschäftsinhaberin Caroline Weder Carrarini beantwortet die Frage bei einem Besuch in ihrem Geschäft in am Natischer Marktplatz. «Ausserhalb des Wallis ist der Name kein Problem. Aber hier bei uns kann er schon für Verwirrung sorgen. Ich erklärte dann manchmal, dass sich das Neeschi auf mich bezieht», scherzt sie. Zum Namen gebe es eine längere Vorgeschichte, ergänzt Weder Carrarini. Zu Beginn spielte Schafwolle dabei nur eine Nebenrolle.

Die ausgebildete Modedesignerin, die sich für ihr Studium längere Zeit in Kalifornien aufhielt, führte bis ins Jahr 2010 in Zürich gemeinsam mit einer Geschäftspartnerin ein Unternehmen für Uniformierungen. Es war spezialisiert auf Bekleidungskonzepte für Firmen aller Art, insbesondere für Frauenuniformen. Zur Kundschaft zählten namhafte Partner wie beispielsweise Nespresso oder der Weltfussballverband FIFA. Nach dem Verkauf des Geschäfts und anschliessenden Aufenthalten in aller Welt, bei denen sie ihren im Ausland tätigen Mann begleitete, wollte es Weder Carrarini nochmals wissen.

Isolationsmaterial für Skibekleidung

Sie suchte nach einer neuen Herausforderung. «Damals kam ich auf die Idee, Skisportbekleidung für Frauen herzustellen», erzählt Weder Carrarini. Als Firmenname für ihre im Jahr 2013 gegründete GmbH wählte sie das walliserdeutsche Wort Neeschi. «Das Wort hat mir sehr gut gefallen. Es hat einen Bezug zur Region, gibt Raum für interessante Geschichten und nimmt ausserdem Begriffe wie Schnee oder Schi für Ski in sich auf.» Als Isolationsmaterial für die Kleidungsstücke sollte Wolle von Schwarznasenschafen genutzt werden, so der Plan der Modedesignerin. Wie sich jedoch zeigte, war dieses Vorhaben kein leichtes Unterfangen.

Heimische Wolle hat einen schweren Stand. «Wegen ihrer Kratzigkeit ist sie leider praktisch vollständig vom Markt verschwunden. Schäferinnen und Schäfer haben grosse Mühe, die Wolle abzusetzen. Sie muss grösstenteils entsorgt werden», sagt Weder Carrarini und appelliert deshalb an die Konsumentinnen und Konsumenten, auf Produkte aus Schafwolle zu setzen. Der Herstellungsprozess bis zum fertigen Garn sei zudem sehr aufwändig und kaum jemand könne die Wolle noch verarbeiten. Die wenigen vorhandenen Maschinen sind auf andere, feinere Wollen, wie etwa diejenige des Merinoschafs eingestellt. Weder Carrarini wollte trotzdem nicht klein beigeben und ist mit der Schwarznasenwolle in ganz Europa herumgefahren. Schliesslich hat sie in Italien eine Lösung gefunden und eine Kleinkollektion entwickelt.

Caroline Weder Carrarini_Neeschi

Auf Umwegen zum Teppich

Kurz vor der Lancierung ihrer Kollektion dann der Schock. Die italienische Partnerfirma ging überraschend in Konkurs. «Dabei habe ich alles verloren. Schnittmuster, Stoffe, Vlies, alles wurde versiegelt. Ich war am Boden zerstört», blickt Weder Carranini zurück. Sie wollte den Bettel hinwerfen. Bei einem Gespräch mit einem heimischen Schäfer zeigte sich dann aber ein interessanter Ausweg: Teppiche herstellen, wie sie früher häufig aus Schafwolle produziert wurden. Aber wie und wo? Nach einigen Recherchen landete sie dank einer E-Mail an die Schweizer Teppichfirma Ruckstuhl bei der Lantal AG in Melchnau.

Ein Glücksfall: Das bernische Unternehmen, das sich weltweit einen Namen in der Produktion von Textilien für den öffentlichen Gebrauch gemacht hat, interessierte sich für Weders Idee. Als grosser Vorteil erwies sich, dass Lantal noch handgetuftete Teppiche produziert und zugleich über eine eigene Spinnerei und sogar eine kleine Wäscherei verfügt. Und so konnte das Ein-Frau-Unternehmen Neeschi eine Zusammenarbeit realisieren, dank der heute Teppiche aus Schwarznasenwolle zu 100% made in Switzerland im Angebot stehen. Ein bisschen sei sie schon stolz darauf, gibt Weder Carrarini lachend zu. «Statt Kleider sind es heute halt Teppiche. Der Name Neeschi aber ist geblieben.»

Nur Herbstwolle kommt infrage

Für die Produktion der Teppiche muss ein besonderes Augenmerk auf die Sauberkeit der Wolle gerichtet werden. Sie sollte bereits an den Tieren gewaschen sein. «Deshalb kann ich auch nur Herbstwolle nehmen», erklärt die Geschäftsinhaberin. «Sie muss zudem sorgfältig sortiert werden, da die Differenzen in der Wolle sehr gross sind.» In kleinen Mengen kauft sie jährlich Wolle bei einigen ausgelesenen Schafzüchtern am Natischerberg, in Ausserberg und in Zermatt zusammen und fährt sie anschliessend selbst mit dem Auto für die Verarbeitung in den Kanton Bern. «Es ist mein Traum, so viel Wolle wie möglich nutzen und den Schäfern wieder etwas dafür zahlen zu können.»

So stehen heute beim Unternehmen Neeschi handgetuftete Teppiche aus der Schweiz im Angebot. «Die handgetufteten Teppiche sind sehr hochwertig. Sie werden nach Kundenwunsch auf Mass hergestellt.» Weil die Produktion aufwändig ist, haben diese Produkte allerdings einen entsprechend hohen Preis. Pro Quadratmeter sind das über 800 Franken, so dass ganze Teppiche locker ein paar tausend Franken kosten können. Auf der Suche nach erschwinglicheren Alternativen lässt Weder Carrarini seit einiger Zeit im italienischen Bergamo auch maschinell weben. Gemeinsam mit Swisswoll ist sie zudem an der Realisierung von ebenfalls maschinell produzierten Teppichen – jedoch komplett «swiss made».

Caroline Weder Carrarini Neeschi

Ein wunderbarer Start in den Tag

Den Grossteil ihrer Teppiche verkauft Neeschi über die Kantonsgrenzen hinaus. «Rund 95 Prozent der Bestellungen kommen aus der Deutschschweiz», so Weder Carrarini. «Viele Kunden reisen ins Wallis in die Ferien, verlieben sich in unsere Schwarznasenschafe und interessieren sich für Produkte aus ihrer Wolle.» Mit dem Absatz ist sie zufrieden. Allerdings ist sie überzeugt, dass die Nachfrage weiter steigen würde, wenn die Preise tiefer wären. Für die Suche nach Lösungen, wie die Zusammenarbeit mit Swisswoll, würde sie gerne mehr Zeit investieren. Aber diese ist im Moment Mangelware. Seit Anfang Jahr sitzt Weder Carrarini nämlich im Gemeinderat von Naters, ist zuständig fürs Bauressort. «Eine spannende, aber auch sehr zeitintensive Herausforderung», betont sie.

Wo ihr Geschäft in fünf Jahren stehen wird, kann sie deshalb im Moment nicht abschätzen. «Ich bin offen. Vielleicht kommt irgendwann eine jüngere Person dazu», blickt sie voraus und weist auf ihr Alter hin – sie nähert sich dem Pensionsalter. Fest steht, Weder Carrarini ist nach wie vor überzeugt von der Schwarznasenwolle. «Die Geschichte mit den Schafen ist einfach eine schöne Geschichte», sagt die Firmeninhaberin mit einem Lächeln und spricht von Nachhaltigkeit, langer Lebensdauer der Produkte und der Herstellungskette in der Schweiz. Selbst hat Caroline Weder Carrarini einen Teppich aus Schwarznasenwolle im Schlafzimmer. «Morgens aufzustehen und mit den Füssen auf den angenehmen Untergrund zu treten, ist ein tolles Gefühl. Ein wunderbarer Start in den Tag.»

Quelle: Wlog

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